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Musik kennt keine Grenzen


Mireille Mathieu ist zurück auf deutschen Bühnen Text: Steffen Rüth

„Ich liebe es, wie die Menschen darauf reagieren, wenn ich in ihrer Sprache singe.“

 


Wir treffen Mireille Mathieu im edlen Pariser Hotel „Le Bristol“, direkt gegenüber vom Elysée-Palast und sprechen mit ihr über die bevorstehende Tournee „Goodbye My Love Goodbye“, ihre seit sechzig Jahren währende Karriere, ihren Lebenswandel und die Frage, warum sie nie schwimmen gelernt hat.

 

Mireille, vor wenigen Wochen sind die Fußball-EM und die Olympiade in Frankreich zu Ende gegangen. Sport bringt die Menschen aus aller Welt zusammen – Musik auch, insbesondere Ihre Musik. Und es gibt wenige Länder, in denen Sie in Ihrer 60 Jahre langen Karriere noch nicht gesungen haben.

Musik kennt keine Grenzen. Sie vereint, genau wie der Sport. Und ich sehe noch weitere Parallelen. Für mich ist meine Arbeit mit der einer Sportlerin vergleichbar, ganz besonders, was die Vorbereitung und den Lebenswandel angeht. Ich muss sehr diszipliniert sein und wie eine Sportlerin sehr auf meine schlanke Linien achten.

 

Fällt Ihnen das schwer?

Ja, denn ich esse gerne. Aber ich muss aufpassen, weil ich klein bin. Und ich muss meine Stimme immer und immer wieder trainieren, vor allem die Atmung. Wenn ich auf Tournee bin, dann passiert nebenher nicht viel. Theater, Hotel, nächste Stadt, Theater, das ist in dieser Zeit mein Leben.

 

Also keine Partys, keine Bars?

Höchstens mal ein Glas Champagner. Aber wirklich nur in Maßen. Ich gehe auch abends mit Freunden essen, aber ich bin nicht gerne dort, wo viele Leute sind.

 

Sie fingen Ihre Karriere vor sechzig Jahren – noch als Teenager – an. Das war die Zeit von Bands wie den Rolling Stones, die in Ihrem Alter sind. Haben Sie nie den Reiz verspürt, auch mal wild zu sein, mal was Verrücktes zu tun?

Nein, nein! Ich glaube gar nicht, dass ich etwas verpasst habe. Im Gegenteil: Ich war sehr froh, dass ich nicht mehr in der Papierfabrik arbeiten musste, sondern als Sängerin – und dann auch schnell von meiner Leidenschaft leben konnte.

 

Jetzt kommen Sie wieder auf Tournee und leben Ihre Leidenschaft auf unseren Bühnen aus. Wie bereiten Sie sich auf ein Konzert vor?

Das ist tatsächlich eine Vorbereitung wie bei einer Sportlerin. Ich schlafe viel, dann werde ich gründlich geschminkt. Am Veranstaltungsort spreche ich mit den Technikern, fange an, mich einzusingen, warte, werde nochmal geschminkt. Ein Abendessen gibt es auch, aber nicht viel. Nur ein bisschen Huhn, Suppe und einen Joghurt. Das ist alles.

 

Haben Sie besondere Ernährungsgewohnheiten während einer Tournee?

Ja, auf alle Fälle. Ich esse sehr diszipliniert, mittags zum Beispiel ein Steak mit Gemüse, abends zum Beispiel eine Tomatensuppe. Das ist schon alles sehr übersichtlich.

 

Kochen Sie auch gerne selbst?

Nein, kochen kann ich überhaupt nicht. Ich lebe mit meiner Schwester zusammen, sie kocht großartig für uns. Ich helfe manchmal mit, ziehe mir Handschuhe an, suche die Gewürze raus, schäle das Gemüse, solche Sachen. Während des Corona-Lockdowns waren wir in unserem Elternhaus in der Provence, da hatten wir uns die Arbeit in der Küche sehr genau aufgeteilt. Ich war zum Beispiel zuständig für das Bohnenschälen.

 

Wann haben Sie eigentlich beschlossen, dass Sie wieder auf Tournee gehen wollen?

Mein Konzertveranstalter Dieter Semmelmann hatte mir das vorgeschlagen, und ich habe ja gesagt. Warum auch nicht, ich war seit 2017 nicht mehr in Deutschland, es wird ja auch mal wieder Zeit (lacht).

 

Sie singen in zwölf verschiedenen Sprachen. Welche ist die schwierigste?

Finnisch! Finnisch ist die vielleicht kniffligste Sprache überhaupt. Aber mir macht das Spaß, es zu versuchen. Und ich liebe es, wie die Menschen darauf reagieren, wenn ich in ihrer Sprache singe.

 

Lässt sich ein Lied in jeder Sprache zum Klingen bringen?

Natürlich ist das sehr schwierig. Es ist viel Arbeit, keine Frage. Einige Sprachen – wie Deutsch – fallen mir leichter, weil ich schon viel auf Deutsch gesungen habe, aber ich habe eben auch auf Finnisch, auf Chinesisch und auf Japanisch gesungen, und das klingt gleich ganz anders (Sie stimmt kurz ein Lied auf Japanisch und Chinesisch an). Man kann absolut in jeder Sprache schön singen, aber es ist wirklich harte Arbeit.

 

Sie sind auch häufig in Russland aufgetreten. Tut es Ihnen weh, zu erleben, was aus dem Land geworden ist?

Ich war in der Tat sehr oft und auch sehr gern in Russland. Leider kann ich jetzt nicht mehr in Russland auftreten. Aber ich mag die Russen und bei weitem nicht alle Menschen in Russland sind böse oder hegen schlechte Absichten.

 

Sie hatten ein sehr gutes Verhältnis zu Wladimir Putin. Er hat Ihnen noch zu Ihrem 75. Geburtstag vor drei Jahren einen persönlichen Brief geschrieben. Was denken Sie, wenn Sie die vergangenen zweieinhalb Jahre seines Kriegs in der Ukraine anschauen?

Ich bin keine Politikerin. Aber es gibt Politiker, die ich bewundere und sehr geschätzt habe, den großartigen Nelson Mandela etwa. Mir liegt immer das Volk am Herzen, die Menschen. Was da tobt, ist ein schrecklicher Krieg. Er dürfte eigentlich nicht existieren. Ich finde, dass viel zu oft über Krieg gesprochen wird. Jeden Tag hört und liest man das Wort „Krieg“ in den Nachrichten. Aber ganz selten hört man das Wort „Frieden“. Man müsste es viel mehr verwenden.

 

Was natürlich so lange schwierig ist, wie die russische Seite keinen Frieden möchte.

Müsste es jetzt nicht jemanden geben, der versucht, zu verhandeln, der einen Silberstreif am Horizont probiert auszuhandeln? Wo ist diese Person? Die Menschen brauchen doch eine Perspektive, sie brauchen Hoffnung. Ich finde es falsch, dass immer nur über noch mehr Waffen, noch mehr Raketen, noch mehr Flugzeuge gesprochen wird.

 

Lässt sich mit Kunst in solchen Fragen überhaupt etwas erreichen? Oder überfordert man damit die Kunst?

Nein, das überfordert die Musik und die Kunst. Wie soll eine Musikerin in so einer Situation vermitteln, was hätte sie anzubieten außer Ihrer Musik? Das müssen schon Profis machen.

 

Wobei Sie eine der wenigen Künstlerinnen waren, die in Deutschland sowohl im Osten wie im Westen geliebt wurden. Ihre Show war die erste, die seinerzeit im DDR-Farbfernsehen ausgestrahlt wurde.

Das stimmt, aber trotzdem werde ich als Sängerin keinen Frieden herbeisingen können. Es gibt aber ein Lied von mir, Mille Colombes. Im Libanon hat man mal junge Studierende gefragt, welche drei Lieder sie am Ehesten mit Frieden in Verbindung bringen würden. Die meistgenannten waren What A Wonderful World, dann ein Lied von einer libanesischen Sängerin, und eben Mille Colombes – auf Deutsch Tausend Tauben. Das fand ich sehr schön, weil junge Menschen diese Wahl getroffen haben.

 

Zurück zur Tournee. Ist Goodbye My Love Goodbye wirklich Ihre Abschiedstour?

Das ist nochmal eine richtig große Tournee. Danach komme ich vielleicht mal hier und da für ein Konzert.

 

Also hören Sie noch nicht richtig auf?

Nein, das habe ich nicht vor.

 

Hält die Musik Sie jung?

Mathieu: Oh ja, ja!

 

Sie singen seit sechzig Jahren. Würden Sie am liebsten nochmal sechzig dranhängen?

(lacht) Dann wäre ich so alt, nein, noch älter, als die älteste Französin, die je gelebt hat. Jeanne Calment ist 122 Jahre alt geworden, sie starb 1997. Vincent van Gogh kannte sie noch persönlich.

 

Würden Sie auch gern ein solches Alter erreichen?

Nun, das wird sehr schwierig. Es gibt alte Menschen, denen es noch recht gut geht, mit denen man sich noch ganz normal unterhalten kann. Bei anderen wiederum ist das nicht so. Wenn man so alt wird, ist es wichtig, das man noch ein Umfeld hat, von dem man geliebt wird. Ich weiß nicht, ob es unbedingt gut ist, so alt zu werden.

 

Ihre Eltern haben 14 Kinder großgezogen.

Mathieu: Ich bin in einem liebevollen Umfeld mit viel Lebensfreude aufgewachsen. Wir hatten nicht viel Geld, nicht jeden Tag Fleisch zu essen. Das Wichtigste war, dass wir uns geliebt hatten. Die Atmosphäre zuhause war immer positiv.

 

Ihr Verhältnis zu den Geschwistern ist sehr eng, oder?

Mathieu: Ja, mit meinen Geschwistern verstehe ich mich exzellent. Ich habe einen Bruder, der ist Bäcker in der Provence. Ein weiterer Bruder lebt in der Nähe von Avignon, einer lebt noch im Elternhaus, ein Bruder arbeitet in einem Altersheim, einer ist Bademeister, drei sind in Rente. Von meinen Schwestern sind einige verheiratet. Eine meiner Schwestern kümmert sich um einen Bruder, der den Tod unserer Mutter nicht gut verkraftet hat. Und meine Schwester Monique, die ich Matide nenne, ist seit viele Jahren meine Managerin.

Trifft es zu, dass Sie nicht schwimmen können?

Ja, leider.

 

Könnte Ihr Bruder, der Bademeister, da nicht mal tätig werden?

(lacht) Er hat es wirklich versucht, er hat es wirklich versucht.

 

Ist es zwecklos?

Ich fürchte ja. Es ist nicht so tragisch. Ich gehe ja auch nicht in die Sonne, grundsätzlich nicht. Deshalb fehlt mir das mit dem Schwimmen nicht so. Manchmal gehe ich mit den Füßen rein.

 

Sie singen schon Ihr gesamtes Leben lang über die Liebe. Haben Sie dank Ihrer Lieder die Liebe verstanden?

Mathieu: Ja, die Liebe ist wirklich überall und sehr mächtig. Ohne die Liebe wären wir alle ziemlich aufgeschmissen. Ich singe über ganz viele verschiedene Arten von Liebe, über die große Liebe, über traurige Liebe, über Partner, die getrennt leben, obwohl sie sich eigentlich lieben – das ist eben das Leben.

 

Was ist das eigentlich mit Ihnen und Florian Silbereisen?

Oui, Florian, zwischen uns hat sich eine wunderbare Freundschaft entwickelt. Wenn wir zusammen auftreten, kommen immer viele junge Leute, das ist schön. Ich mag ihn unheimlich gern, Florian ist ein grandioser Künstler und ein feiner Mensch. Er kann alles.

 

Mireille, sind Sie eigentlich glücklich?

Ich bin sogar sehr glücklich. Ich hoffe, das sieht man mir an (lacht).

 

www.mireillemathieu.com 


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